Kapitel 56 – Die Beerdigung

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  • Im Laufe der Zeit hatte ich einige Kollegen verloren. Entweder waren sie im Kampf gefallen oder an Krankheiten die im Kriegsgebiet vorkamen gestorben. Man sollte meine, man gewöhnte sich daran. Aber das war einfach nicht so. Nein, es blieb immer … schlimm. Traurig. Man fragte sich: Hätte man etwas tun können? In diesem Fall kam ich zu dem Ergebnis: Nein, hätte ich nicht. Allerdings sah man dem guten Madu schon von weitem an, dass er sich diese Frage ebenfalls gestellt hatte. Und er war zu einem anderen Ergebnis gekommen. Er saß vor dem Emergency Center auf einer Treppe und als ich nach draußen kam, setzte ich mich zu ihm. Wir beide schwiegen. Mit einem Seitenblick konnte ich sehen, dass seine Augen feucht waren. Er atmete schwer. Ich ebenfalls. Nach einer halben Ewigkeit begann ich mit leiser, monotoner Stimme:

    „Wissen Sie, was das schlimmste ist? Wir können meistens nichts dafür. Wir stellen uns diese Frage: Trägst du Schuld? Hättest du es verhindern können? Auch jetzt stellte ich mir beide Fragen. Und wissen Sie was? Obwohl ich genau weiß, dass ich nichts ändern hätte können – keine Schuld trage: Ich fühle mich schuldig. Weil ich sie vor ihrem Tod zusammengefaltet habe. Sie ist vermutlich traurig gestorben. Niemand hat das verdient. Womöglich macht mich das doch zu einem schuldigen. Vielleicht war sie wegen mir unaufmerksam. Aber Sie waren vor Ort und ich weiß – sie weiß es auch – das Sie keine Schuld trifft. Wenn Sie die Möglichkeit gehabt hätten, dann hätten Sie Asuka geholfen.“

    So lud ich mir die Schuld auf. Natürlich wusste ich, dass das Unsinn war. Aber der Mensch ist bequem. Wieso sich selbst die Schuld geben, wenn „offensichtlich“ ein anderer Schuld war. Das würde Madu helfen.

    Und in der Tat: Seine Züge strafften sich. Er sah mich an und sagte:

    „Mit Ihrer Erlaubnis, würde ich gerne nach Hause gehen, Commander. Und…“, er machte eine lagen Pause, „danke für die Worte. Es klingt nicht richtig, was Sie ge-sagt haben. Aber es hat geholfen.“

    „Ja, Ruhen Sie sich aus. Sie können solange freinehmen wie sie wollen. Wenn Sie wollen kann ich morgen mal Mr. Gunderson nach Ihnen sehen lassen. Und die… ähm… die Einladung zur Beerdigung werden wir Ihnen natürlich auch schicken.“

    Der letzte Punkt war leider nötig gewesen. Auch wenn ich es lieber gelassen hätte… Dann ging er davon. Ich hoffte, dass er das verkraften würde. In seiner Dienstakte hatte ich nichts über verlorene Partner finden können, daher war das besonders hart.

    Aber innen war noch jemand, der noch nie einen Partner verloren hatte. Jemand… der in die Frau verliebt gewesen war. Jemand der meinen Beistand brauchte.

    Coby Lawrence hatte der Tod seiner Partnerin und geliebten Frau noch viel, viel här-ter getroffen. Zumindest hatte ich ihn zusammen mit Lara bei Dr. Gunderson gesehen. Bei ihm war ich mir nicht sicher, ob er nicht daran zerbrechen würde. Die bei-den kannten sich schon ewig. Er hatte ihr das Leben gerettet.

    Ganz ehrlich, ich war ratlos, wie ich damit umgehen sollte. Ich fand ihn schließlich in der Kantine. Dort ging es zu wie im Zoo. Es war zwar nicht so, dass die Leute ihn direkt anstarrten, aber man merkte, dass er fast überall Gegenstand der Gespräche war. Ich will es niemand im Raum verdenken. Coby saß wie ein Häufchen Elend alleine. Sein Gesicht war von Tränen gezeichnet und ich fragte mich wieso Lara ihn nicht nach Hause gebracht hatte. Ich holte mir, völlig unüblich für die Kantine, zwei Bier und setzte mich dann zu ihm. Eines davon, inzwischen offen, stellte ich ihm vor die Nase.

    „Trink!“, sagte ich zu ihm, nahm selbst einen großen Schluck und schaute mich im Raum um. Die Stimmung hatte sich merklich verändert seit ich mich zu ihm gesetzt hatte. Die Leute redeten jetzt „anders“. Allerdings lenkte mein Schützling meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Ich konnte ihn deutlich weinen hören. Bei mir selbst dachte ich: Mein Gott, du musst was tun. Ich fühlte mich allerdings unfähig. Beim Militär wirst du mit vielem konfrontiert. Aber nicht mit weinenden Kameraden.

    Schließlich rettete mich Lara. Sie setze sich zu uns und nahm ihn in den Arm. In meinem Hals wuchs ein Kloß. Mit den Augen deute Lara an, das Worte hier erst mal nichts ausrichten konnten.

    Nach einiger Zeit, konnten wir ihn dazu bewegen, sich nach Hause bringen zu lassen. Lara und ich erledigten das und dann fuhren wir selbst in unser Häuschen, das Wärme, Schutz und Trost versprach. Die Stimmung war bedrückt und wir nahmen das essen schweigend ein. Als wir später auf dem Sofa saßen und unsere Fläschchen Wein tranken kuschelte sich Lara an mich. Mehr als einmal konnte ich spüren wie es sie frösteltet. Nach Hochzeit war uns nicht zumute…

    Die nächsten drei Tage war im Büro nichts los. Offiziell war es geschlossen. Mehr als einmal fuhr ich zu Madu und Coby. Oft schwiegen wir. Aber wenn einer der beiden dann mal etwas sagte, kam es wie aus einem Wasserfall. Meist hörte ich nur zu. Warf einige lenkende Worte ein damit beide sich alles von der Seele reden konnten. Es war bewegend zu hören, welch hoffnungsvolle Pläne Coby und Asuka gehabt hatten. Es war traurig.

    Dann kam die Beerdigung. Wie immer hatte sich das Department die Beerdigung einiges kosten lassen. Große Kirche – großer Rummel. Hochrangige Politiker waren gekommen. Großes Geschwafel. Heldin bla bla… Das half niemandem etwas. Auch ich hatte es mir nicht nehmen lassen ein paar Worte zu sagen.

    „Wir haben uns heute hier eingefunden um uns von einer Frau zu verabschieden die praktisch ihr ganzes Leben noch vor sich hatte. Dort unten sitzt der Mann, der ihr vor einigen Jahren das Leben gerettet hatte. Seit dem kannten sich die Beiden und sie lernten sich zu lieben. Sie hatten Pläne geschmiedet – ein Haus, eine Tochter, einen Sohn… Vielleicht mehr. Doch aus all diesen Träumen wird nun nichts mehr. Ein Mensch, ein anderer Homo Sapiens hat ihr diese Träume gestohlen. Einfach, unpersönlich. Er hat ihr vielleicht nicht einmal richtig in die Augen gesehen. Nein, er hat ihr einfach ein Messer in die Brust gestochen und ist weiter gerannt. Egoistisch. Selbstsüchtig. Wie jeder Mörder. Ist das fair? Nein, ist es nicht?

    Asuka Peng war eine der energischsten Polizistinnen – vermutlich sogar die energischste Frau die ich je kennengelernt habe. Es ist unfassbar, dass sie nicht mehr unter uns sein soll. Und deswegen muss Sie in unseren Herzen weiterleben, als strahlendendes Beispiel dafür, wie man etwas aus seinem Leben macht aber trotzdem Lebensfreude und die Fähigkeit Lachen zu können, behält.

    Nun ist es unsere Pflicht ihren Mörder zu finden und ihm zu zeigen, ihm vor zuhalten was er an diesem Tag alles zerstört hat. Er hat nicht einfach nur ein Leben genommen. Er hat eine Familie zerstört – einen Mann unglücklich gemacht, er hat die Person unglücklich gemacht, die mit ihr unterwegs war – er hat dafür gesorgt das ein helles Licht nicht mehr strahlt. Asuka Peng hat Leute wie ihn eingesperrt – das wird er zu spüren bekommen. Denken wir jeden Tag an sie, wenn wir wieder einen ein-sperren!“
    mfg CIA JOE
    Danke an SLP Design für den Avatar!

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